Rudolstädter Tränkenleben

Nirgends scheint es soviele Berghäuschen - man nannte sie im allgemeinen "Tränke" - zu geben, wie in der Umgebung von Rudolstadt. Ehe sie die heutige Form eines modernen Wochenendhäuschens oder Bungalows annnahmen, standen sie auf den Höhen als schlichte Vogelherde oder in der Nähe einer Quelle oder eines Rinnsales, als einfach eingerichtete Vogeltränke und dienten dem Vogelfang. Als ältestes Zeugnis, daß im Hain eine Vogelhütte errichtet wurde, gibt es eine Schloßrechnung aus dem Jahre 1529/30, die Ausgaben für einen Vogelherd der gräflichen Familie enthält, der mit Tür und Dach versehen war und zu dem 62 Stämme gefällt worden waren. Es war ein kleines Blockhaus mit 3-4 m Länge, wenn wir mittelstarke Stämme annehmen.

Tränke im Hermannstal

Tränke in der Windlücke

Aber diese Hütten verdanken nicht nur dem Vogelfang allein ihren Ursprung. In Obst- oder Weingärten, die schon im Mittelalter vorhanden waren, errichtete man Arbeits- oder Schutzhütten, die sich von Generation zu Generation vererbten und beibehalten und erneuert wurden, als die ursprüngliche Bestimmung nicht mehr gegeben war. Dieses Hütten entwickelten sich zu Wochenendhäuschen, die zur Erholung und Ausspannung und für Geselligkeit und Gastlichkeit Raum boten.

Tränke auf dem Pörzberg bei Schaala

Auf vielen Hütten wurden Bergbücher geführt, die vom Leben und Treiben auf der Berghütte erzählen. Natürlich mußte auch für das leibliche Wohl gesorgt werden, in Form von den beliebten Rostbratwürsten und Rostbrätchen. Es gibt wenige Orte, wo bei Festen und auch sonst die auf dem Rost gebratene Wurst eine solch erhabene Rolle spielt, wie in Rudolstadt. Seit alters gibt es besondere Vorschriften, wie eine solche Wurst hergestellt wird, was dazu gehört, wie sie sachkundig gewürzt und gebraten werden muß, wenn sie schmecken soll. Wurst ist eben nicht gleich Wurst.

Berghäuschen im 2. Flutgraben ca. 1936

Copyright © 2003 Ursula Neumann
Stand: 23.05.2023