Handwerk und Zunftwesen

Die Handwerker waren im Gegensatz zu den früheren Hörigen, die im Dienste eines Herrn Verbrauchsgegenstände herstellten, in der Stadt als freie Bürger tätig. Nach den Innungsartikeln der Zünfte war die Erwerbung des Bürgerrechts die Vorbedingung, das Gewerbe in der Stadt ausüben zu können.

Es war nicht leicht, ein Handwerk zu erlernen und in der Stadt als Meister zugelassen zu werden. Zahlreiche Bestimmungen ordneten den Gang der Ausbildung, Lehrjunge, Geselle und Meister waren an die Innungsstatuten gebunden, deren Überlieferung mit Geldstrafen oder Ausschluß geahndet wurde. Die berufliche Tätigkeit wie die gesamte Lebensführung unterstand der Aufsicht der Innung, an deren Spitze zwei gewählte Obermeister standen. Der Zunft konnte sich keiner entziehen. Zunftzwang war die Grundlage der Innung. Gehörte ein Handwerker der Zunft nicht an, konnte er seine Waren nicht verkaufen.

War ein junger Mann 16 Jahre alt geworden und wollte als Lehrling (man sagte damals Lehrknecht, Lehrjunge, Lehrknappe) von einem Meister aufgenommen zu werden, so mußte er zunächst eine Bescheinigung seiner ehelichen Geburt vorlegen. Unehelich geborene waren rechtlos. Sie konnten auch das Bürgerrecht nicht erlangen. Eine weitere Vorraussetzung für die Aufnahme ins Handwerk war der Nachweis, daß die Eltern nicht einem unfreien, unehrlichen Stande angehörten. Als solche galten Schäfer, Zöllner, Stadtknechte, Scharfrichter, Schinder u.a. Im Jahre 1647 wurde in den Artikeln der Tuchmacher in Rudolstadt ausdrücklich den Kindern von Schäfern, Badern und Leinewebern der Zutritt zur Innung verboten. Dabei war schon 100 Jahre vorher 1548 auf dem Reichstag von Regensburg das Verbot ausgesprochen worden, solche Berufe für unehrlich zu erklären. Das wurde auf späteren Reichstagen wiederholt, aber bei der Schwäche der Reichsgewalt setzte man sich über derartige Anordnungen hinweg.

Solche Geburts- und Unbescholtenheitszeugnisse wurden in breiter Ausführlichkeit angelegt. Aus dem 18. Jahrhundert liegen viele Dokumente dieser Art vor, die zum Teil schön auf Pergament geschrieben sind mit kunstvollen Initialen, Städteansichten, Wappen usw. Die Aufnahme als Lehrling geschah in feierlicher Form nach altem Brauche, um die Bedeutung des Tages herauszuheben. Die Lehrzeit war in den einzelnen Innungen verschieden. Doch betrug sie mindestens zwei Jahre. Die Meister, denen, wie es damals hieß, ein Lehrjunge aufgedingt wurde, forderten zuweilen ein unmäßiges Lehrgeld, dazu noch Ausrichtung üppiger Mahlzeiten. Dadurch wurde mancher Knabe, der geschickt und tauglich war, vom Handwerk ausgeschlossen. Diese Mißstände zeigten sich besonders im 17. Jahrhundert. Es dauerte lange, bis das Lehr- und Aufdinggeld herabgesetzt wurde und ein erträgliches Maß erreicht hatte.

Wenn der Lehrjunge seine Lehrjahre ehrlich und redlich erfüllt hatte und losgesprochen war, mußte er eine gewisse Zeit außer Landes auf Wanderschaft gehen. Wie lange, hing von der betreffenden Zunft ab. Meistersöhne hatten da Vorteile. Sie wanderten zuweilen überhaupt nicht, oder nur kurze Zeit.

Copyright © 2004 Ursula Neumann
Stand: 27.02.2018