Stadtrecht - Bürgerrecht

Die Rechte und Pflichten der Bürger sind niedergelegt in den Stadtrechten, die aus dem 15. und 16. Jahrhundert erhalten sind. Sie stützen sich zum Teil auf ältere Rechtsgewohnheiten, zum Teil sind sie wie die Leutenberger aus den Statuten der Nachbarstadt Saalfeld übernommen. Die Saalfelder Stadtrechte sind älter und wahrscheinlich schon vor 1275 von den Schwarzburger Grafen aufgestellt worden. Im § 26 der Saalfelder Statuten ist die Rede von Nonnen. Die Nonnen des Saalfelder Zisterzienserklosters haben aber 1275 die Stadt verlassen und sind nach Stadtilm übergesiedelt.

Mögen diese Statuten auch ohne systematische Ordnung aneinander gereiht sein, so vermitteln sie doch einen Einblick in viele Bereiche des städtischen Lebens. Sie geben Auskunft über das Gerichtswesen, über Erb- uund Strafrecht, über Abgaben und Dienstleistungen, über Eigentumsverhältnisse, über Marktrecht, Zölle, Kauf und Verkauf.

Ins Auge fallen die zahlreichen Anordnungen zum Schutze von Leib und Leben der Bürger und zur Sicherung des Friedens in der Stadt. Den Statdherren lag daran, daß die Bevölkerung ihrer Arbeit in Landwirtschaft und Handwerk in Ruhe und Unterwürfigkeit stetig nachgehen konnten. Sie waren ja angewiesen auf deren Abgaben und Diensleistungen. Die Straffälle betreffen sehr häufig Schlägereien und Raufereien sowie Körperverletzung mit und ohne Waffen. Schimpfworte, falsche Beschuldigungen, Ehrabschneidungen und Beleidigungen jeder Art fanden ihre Sühne vor Gericht. Aufruhr und Zusammenrottungen, Auflehnung und Widerstand gegen die Obrigkeit brachten Unruhe und Aufregung in das städtische Leben, ganz abgesehen von Gewalttaten wie Raub, Diebstahl, Brandstiftung, Notzucht oder Totschlag. Die Geldstrafen haben in den Rudolstädter Statuten die Oberhand. Außerdem werden noch Gefängnisstrafen genannt, d.h. Freiheitsentzug durch Festsetzung im Turm, Verweisung aus der Stadt auf Zeit oder für immer und die Todesstrafe (bei Notzucht).

Nach alten deutschen Recht konnte eine Bluttat durch ein Wergeld gesühnt werden. In jenen kriegerischen Zeiten galt persönliche Tapferkeit und Einsatz seines Lebens für die Durchsetzung eines Zweckes als Haupttugend eines Mannes. Daher kam eine gewisse Gleichgültigkeit, wenn Menschenblut vergossen wurde oder die Gegenwehr ein Menschenleben kostete.

Zahlreiche Anordnungen betreffen das Leibgedinge, das Erbrecht von Frauen und Kindern. In Erbfällen kam es im Mittelalter häufig zu Irrungen und Auseinndersetzungen, die zum Teil mit rücksichtsloser Härte und Gewalt ausgetragen wurden. Ein kodifiziertes Recht lag nicht vor. Darum bringen alle Stadtrechte Paragraphen, die die Handhabung des Erbrechtes regeln, oft noch ausführlicher als in Rudolstadt, wie ein Einblick in die Arnstädter Statuten lehrt.

"Jeder Bürger, der in den Genuß der städtischen Gerechtsame kommen wollte, mußte das Bürgerrecht erwerben. dazu mußte er vor dem versammelten Rat den Bürgereid sprechen und ein besstimmtes Bürgergeld entrichten. Wer das nicht tat, konnte in der Stadt kein Handwerk ausüben, war nicht befugt zu kaufen und zu verkaufen, zu brauen, zu schenken, durfte nicht an Hut und Weide teilnehmen, auch den Markt nicht gebrauchen. Hatte der Bürger in der Stadt auch mancherlei Privilegien, so war er doch nicht frei von bürgerlichen Lasten, die in Fronen und Wachdienst bestanden und in der rechtzeitigen Bezahlung seiner Steuern. Bürger und Nichtbürger mußten "Geschoß" zahlen, die wichtigste und ergiebigste Steuer der Stadt. Auch Kaufleute, die sich erst einen Monat in der Stadt aufhielten und von den Stadtrechtengebrauch machen, waren verpflichtet, Steuern zu zahlen, Wachen zu stellen und andere Dienstleistungen, wie bei Bürgern üblich, zu verrichten. Das Bürgerrecht hing mit ab von der rechtzeitigen Bezahlung der städtischen Steuer. Wer das nicht tat, wurde von der Tafel, d.h. aus dem Steuerregister gestrichen und verlor sein Bürgerrecht.

aus Wagner, Erich: Rudolstadt, Geschichtsbilder aus 10 Jahrhunderten, Hain Verlag, 2003

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Stand: 23.05.2023